, Calislar Fahrettin

Von Dialektik und Dialektologie

Die SRG lud zusammen mit dem Regionaljournal zum Mäntig-Apéro nach Tafers. Es war ein Abend der heimatlichen Sprache und der sprachlichen Heimat.

Was hat Heimat mit Sprache zu tun? Dieser Frage stellten sich am gemeinsamen Mäntigapéro des Regionaljournals BE/FR/VS und der SRG Freiburg die Gäste von Regi-Chef Peter Brandenberger. Die Outdoor-Variante des traditionellen Anlasses beschäftigte sich mit der Sensler Mundart zwischen Selbstbehauptung und Anpassung.

Moderator Michael Baumer hatte eingangs schon auf den Zusammenhang der Sprache mit der Identität und dem Selbstverständnis hingewiesen, dass er im Sensebezirk besonders stark ist. Schauspielerin Eveline Dietrich erzählte, wie die Menschen auf ihren in der restlichen Schweiz besonders auffallenden Senslerdialekt reagiert haben. Meistens gut, ab und an jedoch auch etwas befremdet. Doch sie habe ihren Dialekt nicht bewusst angepasst, nicht anpassen müssen.
Sprachwissenschaftlerin Claudine Brohy ist zweisprachig in Freiburg aufgewachsen und die Zeit ihres Lebens auch in der Stadt gelebt. Sie sagte, sie wechselt gewiss 100 Mal am Tag die Sprache. «Das ist einfach so. Ich habe da kein Durcheinander, kein Identitätsproblem.» Sie erläuterte, dass der Stadtfreiburger Dialekt klar eine Abwandlung des Senslerdeutschen ist, und zwar eine «abgeflachte». Die immer wieder erwähnte Mischsprache Bolz sei auch wieder etwas anderes. Brohy schloss: «Mehrsprachigkeit ist weltweit die Normalität, Einsprachigkeit die Ausnahme», dessen sei man sich gar nicht so bewusst.
Dialektologie Christian Schmutz erkennt nach seinem Bekunden anhand eines einzigen Buchstabens, woher jemand kommt. «Wer in der Stadt lebt, sagt das R weiter innen im Hals, so wie die Frankophonen. Der Sensler rollt das R.» Und Schmutz, Autor des Senslerdeutschen Wörterbuches, stellte klar, dass es nicht darum gehe, eine Sprache – oder hier einen Dialekt - in Beton zu giessen: «Ich kann keine Normen setzen, ich bin doch nicht der Duden.» Es gehe ihm aber ums bessere Verständnis. Denn Sprache wandle sich, sie entwickle sich mit dem Leben.
Abschliessend kamen zwei weitere Gäste auf die Bühne. Der Freiburger Korrespondent Oliver Kempa gab Einblicke in sein Sprachleben als Emmentaler in Deutschfreiburg, ein Verständnis, das sich erst entwickeln musste. Und SRG-Freiburg-Vorstandsmitglied Chantal Müller brachte einen anderen Aspekt in die Diskussion: die Tatsache, dass nicht alle Deutschfreiburger einen Sensler Dialekt sprechen. Denn bei der Diskussion um die Sprache Deutschfreiburgs geht der mit dem Berndeutsch verwandte Dialekt des Murtenbiets schnell vergessen. Vielleicht weil er nicht eigenständig genug ist? Und es zeigte sich, wie wichtig eben Sprache – wie übrigens auch die Religion oder andere Faktoren – für die Identität ist. Sie kann gleichermassen verbinden und trennen.
Ein Autor fasste es im Beobachter mal so zusammen: «Es gibt diese wunderbar warmen und mütterlichen Laute des Senslerdeutschen. Niemand spricht so schön falsch wie die Deutschfreiburger. ‘I kene dier.’» Kurzum: Ob «Guete Obe», «Grüessech», «Salut» oder «Tag wohl» – es gibt verschiedene Möglichkeiten Hallo zu sagen. Und alle sind sie «juscht».